Flipped Classroom

In der letzten Solofolge hatten wir darüber gesprochen, was synchron und asynchron bedeutet und wie man die verschiedenen Kommunikationsarten benutzen kann in seinen digitalen Formaten. Und dabei ist auch schon der Begriff Flipped Classroom gefallen. Ich möchte jetzt in dieser Folge ein bisschen näher auf Flipped Classroom eingehen: Was das ist, wie ihr das benutzen könnt und wo das vielleicht schon in den bisherigen 50 Folgen von dc;wd aufgetaucht ist.

Definition

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Hierzu habe ich wieder eine Definition von e-teaching.org mitgebracht und die bezeichnen oder definieren Flipped Classroom so: „Mit den synonymen Begriffen Flipped Classroom bzw. Inverted Classroom wird eine Unterrichtsmethode bezeichnet, in der die üblichen Aktivitäten innerhalb und außerhalb des Hörsaals oder Klassenzimmers umgedreht werden.“

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Das könnt ihr euch so vorstellen. Wenn ihr jetzt zum Beispiel zur Schule geht oder zur Uni geht oder zu irgendeinem Weiterbildungsformat geht, dann ist es ja normalerweise so: Im Klassenzimmer oder im Seminar bekommt man eine Erklärung und dann geht man mit diesem neuen Wissen nach Hause und übt dann zu Hause. Man macht dann Hausaufgaben oder Übungsaufgaben oder oder oder. Und beim Flipped Classroom wird das also umgedreht. Das heißt, die Erklärung erhält man nicht im Seminar, sondern man erhält sie vorher zum Beispiel per Video oder mit einem anderen Medium. Man guckt sich die Erklärung selbstständig vorher in seinem eigenen Tempo an und geht dann mit diesem Wissen erst ins Seminar oder in den Klassenzimmer und dort findet dann die Übung statt.

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Das heißt, ich bin bei der Übung nicht alleine in meinem Zimmer und mache meine Hausaufgaben, sondern bei der Übung bin ich dann mit der Lehrperson zusammen und kann dann zum Beispiel direkt meine Frage stellen. Oder mir wird über die Schulter geguckt und die Lehrkraft sieht, ob ich das richtig mache oder nicht. Und das geht natürlich auch in der digitalen Welt! Ich muss nicht physisch zum Seminarraum oder ins Klassenzimmer reingehen, sondern man kann natürlich auch Flipped Classroom so machen, das dann der gemeinsame Teil in einer Videokonferenz stattfindet oder in einem digitalen Raum.

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Diese Methode ist also vor allem für Lehrszenarien total spannend und diese „Erklärung“ kann in verschiedenen Medienformen stattfinden, also zum Beispiel als Erklärvideo. Das kann auch sein, dass man zum Beispiel seine Folien zeigt in Powerpoint und dann darüber spricht und so dann ein Video erstellt. Das kann eine Audiodatei sein, gerade wenn man zum Beispiel sagt: Ich rede da über ein Konzept, wo es nicht unbedingt eine Visualisierung braucht. Und deswegen mache ich das nur als Audio, damit man nicht zwangsweise dann vor dem Computer sitzen muss, um sich irgendeine total redundante Powerpoint-Folie dabei anzugucken, sondern dass man es vielleicht hört, während man spazieren geht oder so. Oder natürlich auch als Text oder als Kombination von Text und Bildern. Das kann man dann wirklich darauf abstimmen, was der Inhalt ist, den man erklären möchte.

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Die Leute, die Schüler:innen, die Teilnehmer:innen, wer auch immer die Personen sind, die können sich das dann in ihrem eigenen Tempo, zur eigenen Zeit und so weiter anhören oder angucken. Sprich wenn ich vielleicht schon Vorkenntnisse habe, dann gucke ich vielleicht mir nur kurz das Video an und sage „Alles klar!“ Und wenn ich aber sage „Puh, das ist ein schwerer Stoff, das muss ich mir noch mal angucken. Oder da möchte ich zurückspulen. Oder da möchte ich die Geschwindigkeit niedriger stellen und mir das Ganze in Ruhe noch mal anzugucken, wie da jetzt die chemische Formel sich zusammensetzt“ oder so, dann kann ich das machen. Und das ist natürlich etwas, worauf man beim normalen Unterricht nicht wirklich Rücksicht nehmen kann, sondern da hat man halt sein Tempo. Wenn man das Gefühl hat, oh, die Hälfte der Klasse hat es nicht verstanden, dann kann man das noch mal erklären. Aber da hat man halt so sein Tempo. Und wenn irgendjemand dann total gelangweilt ist, weil er das schon längst verstanden hat oder irgendjemand abgehängt ist – ja, da hat man dann leider Pech!. Das heißt, das ist auf jeden Fall ein Vorteil bei der Flipped Classroom Methode. Man kann damit also auch unterschiedliche Vorkenntnisse ausgleichen. Der Fachbegriff dafür ist, dass man eine „heterogene Lerngruppe“ hat, also Menschen mit unterschiedlichen Voraussetzungen, Vorkenntnissen und so weiter. Und da kann man dann eben sagen: Hey, wenn ihr das schon könnt, dann alles gut, dann habt ihr keine Hausaufgaben quasi. Dann sehen wir uns nächstes Mal wieder, um darüber zu sprechen. Wenn ihr das noch nicht könnt oder wenn ihr euch dann noch unsicher fühlt, dann guckt euch hier dieses Video an, das erklärt das noch mal bitte schaut euch das an, damit ihr dann vorbereitet in unsere gemeinsame Sitzung kommt.

Case Studies und Beispiele

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Kommen wir zu den Case Studies und Beispielen. Wir haben das zum Beispiel hier in diesem Podcast in der Folge 44 gehört. Da ging es um die Coaching-Ausbildung von Juli Scheld. Da gibt es ebenfalls so einen Videokurs, den sich die Coaching-Auszubildenden vorher anschauen. Das ist also ein super Beispiel für Flipped Classroom! In der gemeinsamen Zeit wird dann quasi geübt, ausprobiert, drüber gesprochen, reflektiert und so weiter. Was man auch machen kann ist, wenn man eh für einen anderen Kontext Lehrmaterial (im weitesten Sinne) erstellt, dieses dann für Flipped Classroom verwenden. Zum Beispiel wie wir es in unserem MOOC gemacht haben. Das war die Folge 48, mit der ich zusammen mit Jennifer Kosche über unseren „MOOC Digitale Lehre“ gesprochen habe. Dann kann man natürlich auch sagen: Okay, wenn wir jetzt schon hier die Erklärvideos haben, dann können wir sie auch für einen anderen Kontext nutzen und dabei die Flipped Classroom Methode anwenden!

Tipps

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Kommen wir zu der Frage, was man dabei beachten sollte oder wo die Tipps sind. Ja, leider funktioniert diese Methode nicht immer unbedingt, sondern es müssen ein paar Gegebenheiten erfüllt sein, damit das klappt. Zum einen muss klar sein für die Leute, was der Arbeitsauftrag ist. Das muss man ihnen da ganz deutlich sagen: Gut vorbereiten, damit die Leute wissen, was sie zu tun haben. Dann müssen die Leute natürlich genug Zeit dafür haben, mal eben spontan sagen „Hey Leute, morgen treffen wir uns, guckt euch das und das vorher an“ ist schwierig, wenn die Leute dafür keine Zeit eingeplant haben. Und das ist natürlich besonders spannend oder besonders wichtig bei Leuten, die dieses Konzept noch nicht kennen, die es eben gewohnt sind: Wenn ich eine Fortbildung habe, dann gehe ich dahin und werde da berieselt. Das heißt, da muss man dann auch wirklich noch mal erklären_ Hey, das ist wirklich Teil des Ganzen. Das ist kein optionales Ding zum Einstimmen, sondern das ist Teil der Fortbildung. Dass du dir vorher schon drei Stunden Zeit nimmst, um hier diese Materialien durchzuarbeiten und wir uns dann erst treffen. Also je nach Zielgruppe muss man das vielleicht noch mal deutlicher klar machen. Das Material muss schnell und einfach verfügbar sein. Also wenn man Videos, Texte, Audios, was auch immer hat, dann braucht man einen Ort, wo man diese Sachen speichert und anderen zur Verfügung stellt. Und am besten Fall übersichtlich. Also nicht nur ein Link zu einem Dropbox-Ordner wo Dateien drin sind, sondern vielleicht braucht man sogar so was wie ein LMS (Learning Management System), wo man die Sachen dann rein lädt und wo andere sich vielleicht abhaken können, was sie schon angeguckt haben oder so was. Und dann der letzte und wichtigste Punkt: Die Teilnehmer:innen müssen es halt machen! Das schlechteste, was passieren kann, wenn man Flipped Classroom einsetzt, ist, dass die Hälfte der Teilnehmern und Teilnehmer es gemacht hat und die andere Hälfte nicht. Denn dann stehen wir vor der Herausforderung: Wie gehen wir damit um? Okay, es haben nicht genug Leute sich vorbereitet, dann können wir das jetzt so nicht machen, sondern dann muss jetzt die Erklärung doch noch mal gemeinsam im Seminarraum stattfinden. Dann bestraft man damit quasi die Leute, die es gemacht haben, denn für die ist es langweilig. Die kennen das ja jetzt schon. Die haben sich ja zum Beispiel das Video angeguckt. Plus dann fehlt eben wieder die Übungszeit, für die man sich ja eigentlich getroffen hat. Wenn man sagt: Okay, Leute, Pech gehabt, ihr wusstet, was jetzt zu tun habt und ihr habt es nicht gemacht und man macht dann einfach weiter. Dann ist es gut für die Leute, die sich vorbereitet haben, weil die können jetzt in die Übungsphase gehen und schlecht für die Leute, die es nicht gemacht haben, denn entweder die versuchen jetzt mitzumachen, ohne dass sie das (oder genug) Hintergrundwissen haben oder ja, oder die setzen sich jetzt in der Zeit, in der man eigentlich gemeinsam miteinander arbeiten wollt, hin und lesen sich das jetzt mal durch oder gucken sich doch noch mal das Video an oder hören sich doch noch mal die Erklärung an. Das ist natürlich auch nicht optimal, weil dann eben vielleicht gar keine Übungszeit mehr bleibt oder nur sehr wenig Übungszeit. Und ja, das ist eine sehr schlechte Situation, in die wir nicht kommen wollen! Und auch deswegen hier nochmal der Hinweis: Wenn ihr das machen wollt, dann müsst ihr den Leuten klar machen, dass das wirklich Pflicht ist und dass es sonst nicht funktioniert, dass es nicht funktioniert, wenn es nur die Hälfte macht.

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Außer natürlich in dem Fall, was wir vorhin schon besprochen haben. Wenn die Methode eingesetzt soll, um eine heterogene Gruppe ein bisschen auszugleichen, dann ist es natürlich okay, wenn man dann sagt Hey, diejenigen, die das und das schon wissen, die haben jetzt nichts zu tun, die müssen sich nicht vorbereiten. Und die, die das und das noch nicht haben, die müssen sich jetzt das angucken. Dieser Fall sind ausgenommen. Sondern wenn wir jetzt davon ausgehen, dass das wirklich für alle etwas Neues ist und alle sich im Vorfeld mit klassischem Material vorbereiten sollen.

eigene Beispiele

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Okay, jetzt zum Schluss noch ein eigenes Beispiel. Und zwar wurde ich mal für einen Vortrag angefragt. Ich habe ja den erzähl davon Podcast. Da geht es um Öffentlichkeitsarbeit für Vereine. Und da wurde ich mal angefragt: Hey, die und die Podcastfolge von dir hat uns total gut gefallen. Kannst du nicht damit zu unserem digitalen Netzwerktreffen kommen und quasi genau das gleiche nochmal erzählen? Und da kann ich mir ein bisschen verarscht vor..? Weil das ist ja blöd, wenn ich dann einfach mich selber noch mal nachplappere, was ich schon mal in diesem Podcast erzählt habe. Und für solche Fälle schlage ich dann vor – das ist leider nicht immer möglich, aber manchmal klappt es – Hey, wie wär’s, wenn ihr euch vorher die Podcastfolge anhört? Die geht ja nur 20-30 Minuten, dann wisst ihr, was ich euch da erzähle. Und dann können wir nämlich tiefer reingehen und können zum Beispiel eure Fragen dazu beantworten. Oder wir können ein Beispiel von euch nehmen. Und dann das, worüber ich in der Podcastfolge gesprochen habe, anhand von diesem Beispiel irgendwie durchführen, analysieren, weiterspinnen, wie auch immer. Das ist doch viel cooler, oder? Und ja, manchmal klappt das dann, manchmal nicht. Und das ist wieder das, was ich eben angesprochen habe mit dieser Haltung, die die Leute dann reingehen: Ich will mich berieseln lassen. Manchmal sagen dann die Veranstalter:innen, dass sie dieses Risiko nicht eingehen möchten, weil sie das Gefühl haben, dass ihre Leute das nicht machen werden, was ich dann ja sehr schade finde. Und manchmal bin ich dann ein Papagei und plapper mich selber nach! Ein anderes Beispiel war ein Online-Workshop, für den ich angefragt wurde zu einem Social-Media-Thema. Und was ich bei solchen Workshops gar nicht gerne mache, ist dieses „Das ist Facebook. Facebook sieht so aus und da muss man klicken und dann kann man was schreiben. Und Instagram sieht so aus. Und wenn man auf dem Button drauf drückt, dann passiert das und das..“ Solche Arten von Workshops mag ich gar nicht! Bei diesem Workshop sollte es ziemlich niedrigschwellig losgehen, also ziemlich basic-mäßig. Und da habe ich dann den Vorschlag gemacht, ob nicht die Leute, die so das Gefühl haben, sie brauchen erst mal so eine ganz grundsätzliche Einführung in die Plattform, ob wir denen nicht Material aus einem erzähl-davon-Onlinekurs vorher geben wollen, damit sie sich das angucken? Und dann kann man direktin diese Strategie, in dieses „Was macht man denn jetzt auf den Plattformen und was kann man da Cooles machen? Und was macht Sinn?“ Direkt auf dieser Ebene einsteigen und nicht auf dieser „So sieht das aus und so bedient man das“-Ebene. Und dieser Vorschlag ist ja auch angenommen worden. Und was wir dann gemacht haben, ist, damit die Leute sich dann nicht erst bei uns bei erzähl davon anmelden müssen, weil das ja wieder so eine zusätzliche Hürde ist. Habe ich dann stattdessen Texte und Videos und Bilder und Grafiken kopiert und dem Ansprechpartner geschickt. Und die haben das auf ihre eigenen Lernplattform quasi als Mini-Modul eingebaut, so dass dann die Leute sich nicht bei uns bei einer fremden Plattform anmelden mussten, sondern bei der Plattform von ihrem Dachverband, wo sie wahrscheinlich schon angemeldet waren. Um es da auch wieder einfacher zu machen, dass die Leute sich das auch wirklich angucken. Und ich weiß jetzt nicht, wie viele von den Leuten, die bei dem Workshop dabei waren, das dann auch wirklich gemacht haben, weil ich auch glaube, dass da viele schon diese Grundkenntnisse hatten. Ich glaube, mein Ansprechpartner war da ein bisschen besorgt, dass es einige noch nicht haben, aber ich hatte das Gefühl, das haben eh nicht alle gebraucht, sondern vielleicht so ein Drittel oder so hätte das gebraucht. Und wie viele genau das gemacht haben, weiß ich nicht. Aber der Workshop an sich hat ziemlich gut funktioniert! Die Leute waren aktiv dabei, haben sich beteiligt. Von daher war ich da sehr happy, wie das gelaufen ist.

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So viel zu dem Flipped-Classroom-Prinzip oder dieser Methode. Wir machen dieses Solo-Format jeden Dienstag und wenn ihr eine Frage habt oder euch etwas wünscht, was wir in diesem Format vielleicht noch mal kurz erklären oder dafür Beispiele oder Best Practices sammeln, dann meldet euch gerne. Wir können uns bei Instagram schreiben (@didntcancelwentdigital) oder eine E-Mail. Die Emailadresse findet ihr in den Shownotes. Danke fürs Zuhören. Und am Freitag geht es dann mit einem normalen Beispiel mit einem Interviewgast weiter.